Albert Bertrand (1854–1912) nach Félicien Rops, Die Dame mit dem Schwein / La dame au cochon (Pornokrates), 1896, Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett, © Hamburger Kunsthalle / bpk, Foto: Christoph Irrgang
Félicien Rops, Die Absinthtrinkerin, 1870,  Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett, © Hamburger Kunsthalle / bpk, Foto: Christoph Irrgang
 Paul Mathey, Félicien Rops an der Druckerpresse in seinem Atelier, um 1888, Öl auf Leinwand, 65 x 50 cm  Katrin Bellinger Collection © Katrin Bellinger Collection
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Hintersinn

Félicien Rops schuf eines der einflussreichsten graphischen OEuvres des Symbolismus. Die Kunsthalle zeigt zum ersten Mal Werke des bedeutenden belgischen Künstlers und Bohemiens: Paris ist meine Bibliothek.

»… ich komme gerade aus Paris zurück, mit meinen Taschen voller Pariserinnen: verrückten, düsteren, seltsamen, skelettartigen – ich habe sie Modell stehen lassen, aber ich bin wütend, dass ich noch nicht genug Talent habe, um sie gut darzustellen, diese schrecklichen Mädchen.« 
Félicien Rops in einem Brief an Auguste Poulet-Malassis, Mai 1864


Aufreizend dargestellte Frauenkörper, schockierende satanistische Rituale, phantasievoll-opulente Szenerien: Kaum ein Künstler der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts war mit seinem Motivrepertoire derart berüchtigt, aber auch einflussreich wie Félicien Rops. Hinter seinen auf den ersten Blick frivol-obszönen Darstellungen stecken hingegen scharfer Witz, Religions- und Gesellschaftskritik – eine Haltung, die er auch in einer Vielzahl andersgearteter Arbeiten zum Ausdruck brachte.

Der am 7. Juli 1833 im belgischen Namur geborene und 1898 in Paris gestorbene Künstler hatte früh begonnen, sich einen Namen zu machen. Zuerst in Brüssel, wo er studierte, Kontakte zu verschiedenen Künstlern und Schriftstellern knüpfte, Karikaturen und Illustrationen zu diversen Zeitschriften beisteuerte und zusammen mit Charles de Coster die Wochenzeitschrift Uylenspiegel gründete, die sich aktuellen literarischen und künstlerischen Auseinandersetzungen widmete. In den Folgejahren arbeitete er immer wieder an Illustrationen von de Costers Werken. Zeitlebens schuf er Zeichnungen, aber auch eine Reihe von Landschaftsgemälden.

Durch ein reiches Erbe und seine Heirat 1857 finanziell abgesichert, war Rops in seiner künstlerischen Entwicklung unabhängig. In den Folgejahren verbrachte er jeweils mehrere Monate in Paris. Dort knüpfte er Verbindungen zu anderen Kunstschaffenden und Protagonisten der Literaturszene wie Auguste Poulet-Malassis (1825–1878), dem Verleger von Charles Baudelaire (1821–1867). Außerdem unterhielt er in der französischen Hauptstadt etliche Liebesaffären, was immer wieder zu Streit und endlich zum Bruch seiner Ehe führte, ohne dass es aber zur Scheidung kam. 1874 siedelte Rops endgültig nach Paris über und zog bald mit den Schwestern Léontine und Aurélie Duluc zusammen, mit denen er bis zu seinem Lebensende in einer polygamen Beziehung lebte. Rops entwickelte sich zu einem der bestbezahlten und gefragtesten Illustratoren zeitgenössischer, vor allem symbolistischer Literatur. Er entwarf Frontispize und illustrierte Werke von Mallarmé, Baudelaire, Verlaine, Péladan, Uzanne und Barbey d’Aurevilly. Die Schriftsteller wiederum ließen sich von Rops’ Bildfindungen immer wieder zu neuen Texten inspirieren.

Daneben widmete sich Rops ausführlich seinen technisch oft experimentellen Radierungen, die häufig sexuelle Motive zeigen und seinen exzentrischen Ruf in Europa festigten. Beispielhaft seien hier Pornokrates und Die Versuchung des heiligen Antonius genannt, mit denen er große Aufmerksamkeit und heftigen Widerstand in der bürgerlichen Gesellschaft erregte. Nebenbei entwickelte er in eigenen Experimenten und zusammen mit Armand Rassenfosse die Technik der Radierung in vielen Nuancen weiter. Damit beeinflusste er nicht nur seine Zeitgenossen, sondern auch ihm folgende Künstlergenerationen bis nach 1900, zu denen etwa der Leipziger Max Klinger, aber – neben zahlreichen französischen Radierern – auch noch Künstler wie Alfred Kubin und Otto Dix gehören.

Die Ausstellung im Harzen-Kabinett wird seine erotischen und sexuellen Motive ebenso einbinden wie seine politisch-kritischen und satirischen Entwürfe, Arbeiten in Verbindung mit symbolistischer Literatur genauso wie Werke, die seine Heimat Flandern thematisieren. Ein umfassender Blick auf sein Werk, wie es der Bestand der Kunsthalle erlaubt, kann weder das eine noch das andere ausschließen. Dabei sollen die von Rops so häufig thematisierten Geschlechterrollen, sozialen Verhältnisse und moralischen Ambivalenzen der Gesellschaft des 19. Jahrhunderts in Frankreich und Belgien, vor allem aber in Paris, an denen sich Rops in seinem gesamten Œuvre immer wieder abgearbeitet hat, offengelegt und kritisch hinterfragt werden.

Die der Ausstellung zugrunde liegende Sammlung Johannes Mohrmann ist mit etwa 240 Werken die umfangreichste Kollektion an Werken von Félicien Rops in Deutschland. Darunter befinden sich neben beinahe allen wichtigen Radierungen auch Heliogravüren, eine Reihe von Zeichnungen sowie ein illustrierter Brief und viele Drucke, auf deren breiten Papierrändern weitere Zeichnungen und Skizzen sowie eigenhändige Beschriftungen zu finden sind. Erst kürzlich konnten dem Bestand des Kupferstichkabinetts drei bedeutende Zeichnungen des Künstlers (Der Gehängte, 1869; zum Ulenspiegel von Charles de Coster; Die Absinthtrinkerin, 1870, und Selbstbildnis als Ritter, 1878/81) hinzugefügt werden. Hinzu kamen auch weitere Druckgraphiken in verschiedenen Publikationen vom oder über den Künstler.

Der Reederssohn, Jurist und Kunstsammler Johannes Mohrmann (1812–1906) war durch den Verkauf des Unternehmens seines Vaters nach dessen Tod 1837 finanziell unabhängig geworden und widmete sich neben diversen Reisen seiner Kunstsammlung. Diese bestand außer dem umfangreichen Rops-Konvolut aus vielen Zeichnungen von Christian Wilhelm Allers (1857–1915) sowie einer umfassenden Sammlung an Druckgraphik und Zeichnungen wichtiger zeitgenössischer Künstler aus Deutschland und Frankreich, darunter Werke von Max Klinger, Adolph Menzel und Auguste Rodin.

Alfred Lichtwark, erster Direktor der Hamburger Kunsthalle, war schon im Sommer 1895 in München auf das Werk Félicien Rops’ aufmerksam geworden. Er sah dort die Sammlung des Schriftstellers Wilhelm Weigand (1862–1949), der auch einige Radierungen von Rops sein Eigen nannte. Noch unter diesem Eindruck erwarb Lichtwark 1896 über die Commeter’sche Kunsthandlung elf Radierungen von Rops für das Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle. Mit Johannes Mohrmann war Lichtwark schon vor dessen Tod in Kontakt getreten; Mohrmann hatte der Kunsthalle bereits 1897 ein Werk geschenkt und ihr schließlich in seinem Testament 1907 seine Sammlung der Zeichnungen von C. W. Allers vermacht. Die von Lichtwark favorisierte Rops-Sammlung Mohrmanns hingegen wurde an entfernte Verwandte vererbt, die das Konvolut schließlich unter Vermittlung des Testamentsvollstreckers Dr. Brandis für 6.000 Mark an die Kunsthalle verkauften.

Trotz ihrer Größe und Bedeutung ist die Hamburger Rops-Sammlung bis heute nahezu unbekannt, gänzlich unveröffentlicht und, abgesehen von wenigen Einzelblättern, nie ausgestellt worden. Dies liegt sicher zu einem nicht unerheblichen Teil an den immer wieder Anstoß erregenden sexuellen Motiven, für die Rops schon zu Lebzeiten europaweit bekannt und berüchtigt war und die er zur Diskussion von, Persiflage auf und Kritik an verschiedensten gesellschaftlichen Verhältnissen nutzte.


JULIANE AU ist Hans Brökel und Johann Max Böttcher-Volontärin an der Hamburger Kunsthalle.
ANDREAS STOLZENBURG ist Leiter des Kupferstichkabinetts.